Der Guide Michelin stellt seine Printausgabe vermutlich ein.
Im Jahr 2010 wurden laut Zeit.de nur noch 107.000 Exemplare statt 400.000 Exemplare in den Vorjahren verkauft.
Um wieder in die Gewinnzone zu kommen, möchte man die gedruckte Ausgabe des Guide Michelin einstellen und das Online-Angebot mit Userbewertungen weiter ausbauen.
Anders als in den Medien publiziert, konnte ich keine Aussage über die Einstellung der Printausgabe lesen:
www.lhotellerie-restauration.fr
(Die Seite ist ins englische übersetzt; die deutsche Übersetzung ist leider nahezu unverständlich.)
Wie in dem Interview dargestellt wird, will man neue Einnahmequellen erschließen und damit dem sinkenden Absatz der Druckwerke entgegensteuern:
- Stärkung des bisherigen Michelin Guide
Die Tests sollen wie bisher durch fest angestellte Mitarbeiter durchgeführt werden. Entsprechende Einträge sollen deutlich gekennzeichnet werden.
- Aufbau weiterer Restaurantritiken mit Userbewertungen.
Der Grundeintrag soll kostenlos sein.
Weitere Informationen (Bilder, Menüs, etc.) werden 69 EUR pro Monat kosten.
Der Aufschrei ist entsprechend groß. Michelin hat sich durch seine Bücher einen Namen gemacht, der gefürchtet war. Eine Ab- bzw. Aufwertung eines Lokals machten gut 30% Umsatzänderung aus. Die Befürchtung ist natürlich jetzt, dass "Ketchup fressende Kunden" ein Lokal bewerten und dies eben solche Auswirkungen haben könnte.
Der Ansehen des Guide Michelin könnte sinken, und damit auch der des Restaurants.
Ansonsten das übliche Marketing-Geblubber über "Kontrolle der Einträge" und "Sicherstellung der Qualität" und "wir sind nicht wie alle anderen".
Meine Meinung
Eine Printausgabe ist eigentlich nicht mehr wirklich zeitgemäß. Andererseits ist in meinen Augen ein Werk - und nur als solches kann man den
Guide Michelin bezeichnen - eher etwas, das man in die Hand nehmen, durchblättern und schmökern möchte. Ich glaube nicht, dass die meisten Gäste, die
in die dort aufgeführten Restaurants gehen, dies spontan tun. Die Printausgabe ist eine Konstante in der gehobenen Gastronomie. Ich glaube nicht, dass dies bei
einem reinen Online-Angebot eine ähnliche Wirkung erziehlen könnte.
Ein Online-Angebot als Ergänzung bietet dagegen mehrere Vorteile
- Feedback der Gäste (z.B. geänderte Daten wie Öffnungszeiten, etc)
- Ergänzung der professionellen Kritiken durch Erlebnisse der Gäste. Gäste wollen wissen, was andere Gäste denken!
- Detaillierte Such- und Sortiermöglichkeiten (soweit es die Daten hergeben)
- Feedback für den Gastronomen (wieviele Gäste mögen das Restarant, wieviele interessieren sich dafür, ...)
- eine Mobile Variante für Smartphones könnte Spontan-Besucher das Buch ersetzen.
Etwas vermessen finde ich die Aussage, dass man Qualität der Einträge im Gegensatz zur Konkurrenz garantieren könne - selbst etablierte Hotelbewertungsportale haben erkannt, dass es nie eine 100% Sicherheit gibt und betreiben einen immensen Aufwand, um "Kampfbewertungen" zu minimieren.
Auch die Aussage, dass man den neu geplanten Restaurantführer nicht mit Zagat (ein amerikan. Restaurantführer, von Google übernommen) vergleichen könne, finde ich etwas sehr überheblich. Meiner Meinung nach wird sich das Angebot kaum von dem der Konkurrenz unterscheiden (können).
Schließlich stellt sich mir die Frage, welcher Gastronom 69,- EUR pro Monat für ein paar zusätzliche Informationen zahlen sollte.
1.) Gastronomen scheinen sich überwiegend immer noch nicht oder nur rudimentär mit dem Internet zu beschäftigen (zumindest meine Erfahrung). Alle Dienste,
die etwas kosten, sind daher per se nicht interessant.
2.) Gastronomen, die sich mit dem Intert beschäftigen, werden sich fragen, warum Sie 69,- EUR für etwas bezahlen sollen, das bei der etablierten
Konkurrenz kostenlos ist.
Vielleicht täusche ich mich aber auch und alleine der Name "Michelin" zieht den Gastronomen das Geld aus der Tasche.
Herzlichst,
Holger Mitterwald